Lachen verbindet

Der syrische Filmemacher Firas Alshater wurde über Nacht zum Youtube-Star – weil er den Deutschen mit Scharfsinn und Humor den Spiegel vorhält

Firas Alshater
Schnappschuss mit dem Youtuber: Mit dessen feinem Humor können auch 14-Jährige etwas anfangen.
Foto: Ulrike Schnellbach

Humor hilft heilen, das sagt Deutschlands Kabarettistendoktor Eckhart von Hirschhausen seit langem. Dass Humor hilft, davon ist auch der Syrer Firas Alshater überzeugt. Es braucht eine Menge davon, um das Leben auszuhalten, die Grausamkeiten des syrischen Bürgerkriegs etwa, aber auch den Irrsinn deutscher Bürokratie. In seinem Videokanal „Zukar“ („Zuckerstückchen“) erzählt der 25-jährige Filmemacher aus Damaskus, der seit 2013 in Berlin lebt, von seiner ersten Heimat und hält seiner zweiten den Spiegel vor. Er tut das so witzig, zugespitzt und zugleich liebevoll, dass seine Internet-Fangemeinde immer weiter wächst. Jetzt hat er auch ein Buch geschrieben – „Ich komm auf Deutschland zu“ – und tourt mit einer mulitimedialen Lesereise durchs Land.

Der Mann mit dem Rauschebart und dem Schalk im Nacken könnte große Säle füllen, aber in Freiburg tritt er in einem unscheinbaren Hinterhofraum auf. Laptop, Beamer, Mikro und ein paar Manuskripte, ziemlich improvisiert das Ganze. Der Protagonist selbst wirkt so, als habe er eben erst einen Anruf bekommen und sei spontan rübergekommen, um ein bisschen zu erzählen. Schwarze Schlabberhose, rotes T-Shirt, vollkommen unprätentiös, ist er mit den rund hundert Zuhörern sofort auf du und du. „Wisst ihr, welchen Satz die Deutschen am häufigsten sagen?“, fragt er und macht eine Kunstpause. „‚Sie sprechen aber gut Deutsch!’ Ich sage dann immer: ‚Sie aber auch!’“ Lachen.

Verbrüderung leicht gemacht

„Ehrlich: Wer von euch hat diesen Satz schon gesagt?“ Die deutsche Hälfte des Publikums hebt ertappt die Hand. „Und wer hat ihn schon gehört?“ Jetzt die ausländischen Zuhörer. Mein syrischer Sitznachbar, dem Alter nach ein Student, und ich grinsen uns an; auch mein 14-jähriger Sohn amüsiert sich. Hier im Raum vollzieht sich gerade eine Verbrüderung, auf eine ganz leichte Art. Einheimische und Zugewanderte, Jung und Alt, vereint im Vergnügen. Nur die Moderatorin hat etwas verpasst und fragt Alshater allen Ernstes: „Was müssen wir Deutschen tun, damit Integration gelingt?“ Der kontert mit einer überraschend einfachen Antwort: „Gar nichts.“ Das mit der Integration, meint der Berliner aus Syrien, „das wird schon klappen“. Es brauche einfach Zeit.

Alshaters Geschichte ist alles andere als lustig. Der Schauspiel-Student aus Damaskus gehörte 2011 zu den ersten Demonstranten gegen das Assad-Regime. Mit der Kamera dokumentierte er den syrischen Bürgerkrieg, auch die Verbrechen der islamistischen Regimegegner. Das brachte ihn zwischen die Fronten und mehrfach ins Gefängnis, wo er gefoltert wurde. Dies erfährt das Freiburger Publikum auf sehr subtile Art aus einem Film von 2014, den Alshater zum Einstieg zeigt: In einer Berliner Disco hat er ein Mädchen kennengelernt, sie geht mit ihm nach Hause, aber später huscht sie mit einem ratlosen Gesichtsausdruck aus dem Zimmer. „Es ist nicht, weil du nicht hübsch wärst“, sagt Firas, der im Bett liegenbleibt und sich beschämt wegdreht. „Die Elektroschocks haben Gewebe zerstört. Ich kann wohl niemals Vater werden.“

„Ich bin syrischer Flüchtling – umarme mich!“

Wie es ihm gelingt, nach dieser beklemmenden Szene zurück ins Leichte, Lebensfrohe zu finden – das ist große Kunst. Von der feinen Balance zwischen Scharfsinn und Humor leben seine Filme und sein Buch. Ob er die Zerstörung Aleppos thematisiert oder die Zustände im Berliner LaGeSo, er tut es stets mit einem Augenzwinkern. Als er seinen Asylantrag stellte, gab man ihm in der berüchtigten Sozialbehörde erstmal drei Verbote mit auf den Weg: nicht die Stadt verlassen, nicht arbeiten, keinen Deutschkurs besuchen. Als nächstes schickte das Amt einen Brief, auf Deutsch, und der enthielt – eine Steuernummer. Komisch, fand Alshater: „Ich darf keinen Sprachkurs besuchen, bekomme aber deutsche Post. Ich darf nicht arbeiten, habe aber eine Steuernummer.“

Der Asylbewerber ohne Rechte nutzt die Zeit des Wartens, indem er zu ergründen versucht, wie die Deutschen ticken. So entsteht 2016 der erste Videoclip, in dem Alshater mit verbundenen Augen und ausgebreiteten Armen auf dem Alexanderplatz steht, vor sich ein Pappschild: „Ich bin syrischer Flüchtling. Ich vertraue dir – vertraust du mir? Umarme mich!“ Ein Experiment, so witzig in Szene gesetzt, dass der Film auf Youtube direkt durch die Decke ging, woraufhin die Medien den Autor zu „Deutschlands erstem Flüchtlings-Youtuber“ erklärten und um Interviews geradezu Schlange standen.

„Alle Menschen lachen in derselben Sprache.“

Alshater macht nicht nur harmlose Clips. In einem sehr sehenswerten „Katzenvideo“ etwa nimmt er Fremdenfeinde aufs Korn, indem er Katzen systematisch zum Sündenbock aufbaut. Nach dem Motto: „Die nehmen mir meinen Arbeitsplatz weg – ihre Videos werden viel mehr geklickt als meine!“ Für so etwas bekommt er natürlich nicht nur Fanpost, sondern auch Hasskommentare. Trotzdem glaubt Alshater: „Die Deutschen haben genug davon, sich gegenseitig zu hassen.“ Immer dieser Kampf zwischen links und rechts, zwischen Willkommen und Abwehr, davon hätten sie längst die Nase voll. So erklärt er sich, warum viele Menschen derart positiv reagieren auf einen wie ihn: einen Flüchtling, der lacht und über den man lachen kann.

„Humor ist der Schlüssel, der uns alle Türen öffnen kann, und überhaupt der beste Weg, ein Mensch zu sein“, schreibt Alshater in seinem Buch. „Hass muss man trainieren, aber Humor nicht. Hass ist extrem anstrengend, Humor hingegen herrlich leicht.“ Seinen eigenen beweist Alshater an dem Abend in Freiburg immer wieder. Die etwas missglückte Frage, woher er seinen Humor denn habe, beantwortet er schlagfertig: „Ehrlich gesagt, den habe ich vom Aldi.“ Um dann doch noch eine ernste Botschaft hinterherzuschicken: „Alle Menschen lachen in derselben Sprache.“ Ein kluger Humorist, dieser syrische Deutschen-Versteher. Und einer mit Potential: Jetzt studiert er Filmschnitt an der Uni Potsdam.

 

Erschienen in Publik-Forum 20/2017

© Ulrike Schnellbach – Abdruck nur nach Rücksprache mit der Autorin

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