„Die Nazi-Ideologie kommt knüppelhart wieder!“

Omas gegen Rechts - Sticker In immer mehr Städten gründen sich „Omas gegen Rechts“ – und stoßen auf große Resonanz

Omas gegen Rechts
Seit' an Seit' mit den Jugendlichen: Die "Omas gegen Rechts" engagieren sich auch für Klimaschutz. Foto: privat

Die Stühle reichen mal wieder nicht. Immer mehr Frauen drängen herein, dunkelgraue Lockenköpfe, graublonde Kurzhaarfrisuren, schlohweiße Pagenköpfe. Herzliche Begrüßungen, kurz tauscht man sich über neugeborene Enkel oder die jüngste Reise aus, aber dann wird’s offiziell, man ist schließlich nicht privat hier. Zum Vergnügen aber irgendwie schon, jedenfalls wirken die Frauen hoch motiviert und energiegeladen. Plenum der Freiburger „Omas gegen Rechts“. Die Vorstandsfrauen Gerda Liebner und Angelika Fabry-Flashar sind mit ihren Mitstreiterinnen gleich in medias res: Es gilt Stände auf den Wochenmärkten zu besetzen, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen, eine Europa-Kundgebung zu organisieren, eine Podiumsdiskussion zu besprechen, den Instagram-Auftritt professioneller zu gestalten – viel zu tun. Es stehen Kommunal- und Europawahl vor der Tür, da heißt es Flagge zeigen. „Wir sind nicht nur gegen Rechts“, betont Gerda Liebner (74), „wir setzen uns für Menschenrechte ein, für Demokratie und Gleichberechtigung.“ Einst habe sie gedacht, ihre Generation hätte ihr Ziel erreicht – die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und eine gefestigte Demokratie – und könne sich nun zur Ruhe setzen. „Und plötzlich stehen junge Rechte auf, die den Nationalsozialismus als Kavaliersdelikt sehen und den Hitlergruß zeigen.“ Man kann der pensionierten Schulleiterin ansehen, wie es sie schaudert. Rechte Parolen, fremdenfeindliche Gewalttaten, Hasspropaganda gegen Asylbewerber – „die Nazi-Ideologie kommt knüppelhart wieder hoch!“ Vorstands-Kollegin Angelika Fabry-Flashar (66) stammt aus dem Ruhrgebiet, wo Zuwanderung aus vielen Ländern in der Nachkriegszeit die Wirtschaft ankurbelte. Sie selbst hat viel im Ausland gelebt. Und nun schürt die AfD absurde Ängste, „dass wir von Afrikanern ausgelöscht werden“, sagt sie kopfschüttelnd. Mit Blick auf ihre fünf- und zehnjährigen Enkelkinder ergänzt sie: „Wenn die mich eines Tages fragen, will ich ihnen nicht sagen, was ich als Kind noch gehört habe: ‚Das habe ich alles nicht gewusst’.“

Omas gegen Rechts
In Gesprächsbereitschaft: Die "Omas gegen Rechts" sind auch auf Stadtteilmärkten präsent. Foto: privat

„Als Omas bringen wir Erfahrung und Geduld mit – und die Erkenntnis, dass es keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme gibt.“

Im Herbst 2018 haben sich die „Omas gegen Rechts“ in Freiburg als eine der ersten deutschen Ortsgruppen gegründet, inspiriert vom Vorbild aus Wien. Die Resonanz ist überwiegend positiv. Vielleicht liegt es am Namen, vielleicht am Alter der Protagonistinnen oder an ihrer Ausstrahlung. „Wir stellen oft fest, dass wir mit Wärme aufgenommen werden“, erzählt Liebner. Wenn sie ihren Sticker trägt, werde sie häufig besonders von jungen Menschen darauf angesprochen: „Das finde ich cool!“ Passt schon: Schließlich marschieren die Omas mit ihrem Transparent für eine lebenswerte Zukunft auch bei den Fridays for Future-Demonstrationen Seit’ an Seit’ mit den Jugendlichen. Es ist ihr Hauptziel: ins Gespräch zu kommen mit jungen Leuten, die die Nachkriegszeit nicht erlebt haben und die Demokratie für selbstverständlich erachten; aber auch mit Menschen, die unzufrieden sind mit ihrem Leben und sich abwenden von der Politik. „Als Omas bringen wir Erfahrung und Geduld mit – und die Erkenntnis, dass es keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme gibt, wie sie die Rechten gerne propagieren.“ Und was ist mit den Männern? Einige wollten schon mitmachen, erzählt Fabry-Flashar, denen sagten sie dann: Gründet doch die „Opas gegen Rechts“! Die gibt’s bis heute nicht. Dafür sprießen neue Oma-Gruppen bundesweit aus dem Boden und auch in Freiburg kommen ständig Aktive hinzu, 150 sind es derzeit. Und das mit den fehlenden Stühlen, das war schon bei der Gründungsversammlung in der Eckkneipe „Omas Küche“ so: Mit zehn bis zwölf Gleichgesinnten hatten sie damals gerechnet, erzählt Gerda Liebner. Es kamen auf Anhieb 60.

Gerda Liebner Angelika Fabry-Flashar
Die Vorstandsfrauen Gerda Liebner (links) und Angelika Fabry-Flashar - Fotos: Schnellbach

 

Erschienen in Publik-Forum 14/2019

© Ulrike Schnellbach – Abdruck nur nach Rücksprache mit der Autorin

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