„Wir sind gerne das Aushängeschild“

Wie willkommen sind Muslime in der CDU? Die türkischstämmige niedersächsische Sozialministerin hat sich gleich nach ihrer Ernennung in die Nesseln gesetzt, als sie sagte, Kruzifixe hätten in Klassenzimmern nichts zu suchen. Ulrike Schnellbach sprach darüber mit Bülent Arslan, dem Vorsitzenden des Deutsch-türkischen Forums in der CDU Nordrhein-Westfalen.
Der gläubige Moslem sieht die CDU in der Zusammenarbeit mit deutschen Muslimen auf einem guten Weg.

Bülent Arslan

Herr Arslan, ist Frau Özkan, die neue niedersächsische Sozialministerin türkischer Herkunft, in der richtigen Partei?

Bülent Arslan: Ja, auf jeden Fall. Von ihren grundsätzlichen Positionen her bin ich überzeugt, dass sie in der CDU richtig ist. Sie vertritt konservative, liberale Auffassungen und ein Weltbild, das dem Weltbild der CDU am nächsten ist.

Özkans Aussage, dass Kruzifixe nichts in Klassenzimmern zu suchen haben, hat innerhalb der CDU viel Wirbel ausgelöst – obwohl sie genau das wiedergibt, was auch das Bundesverfassungsgericht sagt. Ist die CDU eigentlich bei diesem Thema auf der Höhe der Zeit?

Bülent Arslan: Mit Sicherheit ist die CDU auf der Höhe der Zeit. Aber neben der rechtlichen Diskussion hat die Frage der Kruzifixe etwas mit unserem Menschenbild und unserem Selbstverständnis zu tun. Alles, was sich um christliche Werte dreht, sind sehr identitätsstiftende Fragen für die CDU, und deshalb gab es auch so große Aufregung. So eine identitätsstiftende Frage muss natürlich gerade durch ein muslimisches Mitglied besonders beachtet werden.

Frau Özkan musste zurückrudern – wie sehr muss man sich nach Ihrer Erfahrung verbiegen als Moslem in der CDU?

Bülent Arslan: Auf meine Person bezogen wüsste ich nicht, in welcher Frage ich mich verbiegen müsste. Natürlich unterstütze ich nicht alles, was die Parteimehrheit vertritt. Ich habe etwa beim Thema EU-Türkei-Beziehungen eine andere Auffassung als die Mehrheit meiner Partei, und es gibt noch andere Beispiele. Aber in vielen Grundsatzfragen und vielen konkreten Fragen bin ich absolut auf der Linie meiner Partei.

Die CDU will die Türkei nicht wirklich in der EU haben, sie will das Land mit einer „privilegierten Partnerschaft“ bei Laune halten. Verhält es sich so ähnlich mit der CDU und den deutschen Türken: Man kann sie gut gebrauchen, aber so richtig lieben tut man sie nicht?

Bülent Arslan: Ich würde diesen Satz nicht übernehmen wollen. Aber tatsächlich gibt es eine wachsende emotionale Distanz zwischen der Mehrheit der CDU-Mitglieder und der Türkei. 

Und wie groß ist die Distanz zwischen der CDU und den türkischstämmigen Menschen in Deutschland?

Bülent Arslan: Als ich vor fast 15 Jahren begann, mich in der CDU zu engagieren, war ich ein absoluter Exot. Heute gibt es in jedem CDU-Kreisverband – nicht viele, aber immerhin einige –Türkischstämmige, die sich engagieren. Heute ernennt die CDU eine muslimische Ministerin. Daran können Sie ablesen, dass sich sehr viel getan hat in Richtung Normalität.

Für viele in der CDU ist das C im Namen sehr wichtig. Wie verträgt sich das mit Parteimitgliedern wie Ihnen, die gläubige Moslems sind?

Bülent Arslan: Die Werte, die die CDU dem Christentum entnommen hat, sind Werte, die man als aufgeklärter Moslem ebenfalls befürworten kann. Ich bin überzeugt, dass sich ein gläubiger Moslem eher mit den Positionen der CDU identifizieren kann als beispielsweise mit dem Weltbild der Sozialdemokraten oder der Grünen.  

Wie erklären Sie sich dann, dass türkischstämmige Deutsche mehrheitlich SPD wählen?

Bülent Arslan: Ungefähr 50 Prozent wählen SPD, etwa 15 Prozent CDU. Eigentlich haben wir als CDU aber ein Potential von 50 bis 60 Prozent – weil diese Wähler eher konservativ eingestellt sind. Wir können das Potential bislang nicht ausschöpfen, weil die CDU die Kommunikation mit dieser Bevölkerungsgruppe viele Jahre lang nicht angegangen ist und dann nicht klug angegangen ist: Wir sind viel zu sehr auf die Probleme eingegangen, und damit kann man die Zielgruppe natürlich nicht gewinnen. Aber das ändert sich so langsam. In diesem Zusammenhang könnte die Ernennung von Aygül Özkan zur ersten muslimischen Ministerin einen Wendepunkt darstellen.

Sind Leute wie Frau Özkan und Sie für die Partei nicht einfach ein willkommenes Aushängeschild?

Bülent Arslan: Das sind wir, aber das sind wir auch gerne. Solche Prozesse können nur mit Aushängeschildern oder Alibifiguren beginnen.

Und wie willkommen fühlen Sie sich in der Partei?

Bülent Arslan: Prinzipiell sind wir sehr willkommen, weil die Partei weiß, dass sie sich in Bezug auf diese Bevölkerungsgruppe mehr engagieren muss. Das ändert sich dann, wenn wir bestimmte Posten in der Partei bekleiden wollen. Wir sind willkommen im Vorstand mitzuarbeiten, aber bei Positionen, die mit einzelnen Personen besetzt werden, kann der türkische Hintergrund eher ein Nachteil sein. 

 

Zur Person: Bülent Arslan, 1975 in der Türkei geboren, kam im Alter von zwei Jahren als Gastarbeiterkind nach Deutschland. Der Volkswirt arbeitet als selbständiger Unternehmensberater und ist Vorsitzender des Deutsch-türkischen Forums in der CDU Nordrhein-Westfalen.

 

Erschienen in Publik-Forum 9/2010

© Ulrike Schnellbach – Abdruck nur nach Rücksprache mit der Autorin

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